Das Kind hat hundert Sprachen, in denen es sich ausdrücken kann,
es verleiht auf kreative Weise seinem Eindruck über die Welt einen Ausdruck, sei es durch Worte oder durch Werke, die es gestaltet.
Loris Malaguzzi
Begründer der Reggio-Pädagogik
REGGIO-PÄDAGOGIK
Reggio-Pädagogik ist eine innovative Bildungspraxis, die vor über 70 Jahren in Norditalien in der Stadt Reggio-Emilia begründet wurde, und die aufgrund ihrer offenen Konzeption bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat. Sie verfolgt im Kern einen humanistischen Ansatz, der den Menschen und seine individuelle Entwicklung in den Mittelpunkt stellt. Eine positive Lernkultur wir als Chance für die Gegenwart und Zukunft des einzelnen wie auch der Gemeinschaft gesehen. In diesem Sinne bedeutet Bildung nicht das zusammenhanglose Aneignen von Kompetenzen oder Faktenwissen. Bildung kann nach humanistischer Auffassung nur durch die aktive Auseinandersetzung mit der umgebenden Welt entstehen. Regio-Pädagogik geht von der Zuversicht aus, dass Kinder bereits von Geburt an alle wesentlichen Potentiale für die eigenständige Welterkundung mitbringen.
“Kinder sind – ebenso wie Dichter, Musiker und Naturwissenschaftler – eifrige Forscher und Gestalter. Sie besitzen die Kunst des Forschens und sind sehr empfänglich für den Genuss, den das Erstaunen bereitet. Die Kinder finden schnell heraus, dass sie gerade in dieser Fähigkeit einen großen Teil ihrer Lebensfreude finden und die Befreiung von der Langeweile, die aufkommt, wenn man in einer unerforschten Welt lebt. Unsere Aufgabe besteht darin, den Kindern bei ihrer Auseinandersetzung mit der Welt zu helfen, wobei all ihre Fähigkeiten, Kräfte und Ausdrucksweisen eingesetzt werden.” (Loris Malaguzzi)
Trotz aller Entwicklungsgemeinsamkeiten hat jedes Kind eine persönliche Geschichte, gerade auch aus dem Grund, dass Kinder aktive Konstrukteure ihrer eigenen, individuellen Wissensstruktur sind. Deshalb kann man nie mit Sicherheit sagen, was die Vorstellungen und Intentionen eines Kindes in einer konkreten Situation sind, es sei denn man macht genau dies zum Gegenstand der pädagogischen Forschung. Projektarbeit ist ein ideales didaktisches Mittel um dieses Forschen in die pädagogische Praxis zu integrieren und ist deshalb ein Grundpfeiler der Reggio-Pädagogik.
100 SPRACHEN HAT DAS KIND
Die Auseinandersetzung mit der Welt gelingt umso besser je vielfältiger die Möglichkeiten sind Erfahrungen zu machen und diese zu verarbeiten. In Reggio-Emilia hat man für diese Vielfalt die Metapher der “100 Sprachen der Kinder” gefunden. Sprache ist stets sowohl Denkwerkzeug als auch ein Mittel des Ausdruckes, eine Möglichkeit sich auszutauschen. Unser Erlebens, die Art und Weise wie wir Zusammenhänge herstellen geschieht zum überwiegenden Teil nicht nach logischen Kriterien, sondern ist ästhetisch strukturiert. Alles was Kinder tun, ob sie einen Laut nachahmen, mit Draht eine Form biegen, mit Figuren eine Geschichte erfinden oder sich zur Musik bewegen kann als eine spezifische Form von Sprache verstanden werden mit der sie die Welt erkennen und mit ihr in Verbindung treten. Mit den 100 Sprachen drücken Kinder immer auch etwas über ihre Beziehungen aus, sowohl zu den Personen als auch zu den Dingen ihrer Umgebung.
DIE ROLLE DER PÄDAGOGEN
Die Pädagogen sollen diese Sprachen nicht nur hören, sondern im Dialog mit den Kindern erforschen und weiterentwickeln. Dafür wird auf vielfältige Art und Weise dokumentiert, womit sich die Kinder beschäftigen. Dies geschieht nicht zu Kontrollzwecken, sondern dient dazu herauszufinden wofür sich die Kinder interessieren, was für sie bedeutsam ist und welche Unterstützung sie für ihre weitere Arbeit benötigen. Das dokumentierte Material begutachtet, ausgewählt und interpretiert um es in einem weiteren Schritt für folgende Gestaltungsprozesse zu verwenden. Auf Basis der Dokumentation wird entschieden, welche Materialien und Werkzeuge für die weitere Arbeit am zielführensten ist. Nicht zufälligerweise sind in der Reggio-Pädagogik Künstler ein fixer Bestandteil des Betreuerteams, denn gerade sie sind im besonderen Maße dafür prädestiniert, die vielfältigen Ausdrucksweisen der Kinder wahrzunehmen. Im Wechselspiel von Sinneserfahrung, Vorstellung, Fantasie und Gestaltung entsteht so ein ästhetischer Lernprozess. Diese ästhetische Bildung ergänzt und komplettiert das rein rationale Denken und erschließt einen Reichtum einer Welt, in der Kinder als vollwertige Menschen respektiert und wertgeschätzt werden, die mit ihrer Art zu denken, zu fühlen und zu handeln eine eigene Kultur schaffen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben.
Wir glauben daran, dass Reggio die “Pädagogik des Zuhörens” ist. Und wir hören es so gerne, wenn ein Kind lacht, wenn die Welt lacht.